Hallo alle miteinander,
viele starten in die Spieleentwicklung als Einzelpersonen und bauen sich gerade über Orte wie einem Forum im Laufe der Zeit ein Netzwerk aus Kontakten auf. Von den ersten Erfolgserlebnissen hin zu den ambitionierteren Zielen kommt man immer wieder mal an den Punkt, wo man auf die Hilfe durch andere angewiesen ist.
Offene Hilfegesuche sind eine sehr wirksame Option, noch besser ist es manchmal wenn man sich auf seine Kernstärken konzentrieren kann und mit anderen zusammen tut, welche diese Stärken im Idealfall gut ergänzen.
In verschiedenen Entwickler-Communities (Engine-übergreifend) lese ich häufig, dass Einsteiger gerne schnell ein Team um sich scharren wollen, wo Rollen ebenso schnell verteilt werden wie die ersten großen Ankündigungen und Experimente erfolgen. Leider verlaufen diese Team-Projekte jedoch häufig recht schnell im Sande. Dies lässt sich sicherlich auf verschiedene Faktoren zurückführen. Gemeinsam mit euch würde ich dieses Thema gerne einmal beleuchten, damit man dieses Phänomen auffangen und im Idealfall für die Zukunft etwas seltener werden lassen kann.
Nachfolgend führe ich einfach mal auf, was mir da so semi-spontan durch den Kopf geht.
Zweck:
Die Gründung eines Teams geht recht schnell von Statten. Man sucht sich einen Namen aus, erstellt (bei Bestrebungen einer professionelleren Außenwirkung) ein schönes Logo und zeigt Verbundenheit durch einheitliche Signaturen. Diese gemeinsame Identität ist etwas Starkes - gerade da wir Menschen durchaus nach einer gewissen Gruppenzugehörigkeit (in all ihren Unterteilungen) streben und sie genießen. Nicht selten folgt auf die anfängliche Euphorie auch eine leidenschaftliche Ankündigung des ersten gemeinsames Projektes.
Hier kann es jedoch bei einer vorschnellen Team-Gründung bereits die ersten Probleme geben. Hier ein paar Beispiele dazu:
- Was ist, wenn das angestrebte Spiel-Konzept (wenn bereits eines ausgearbeitet wird) nur schwer eine Schnittmenge für alle Mitglieder darstellen kann?
- Hat der Anhänger dystopischer Sci-Fi-Welten wirklich Lust mehrere Monate oder Jahre als Grafiker für ein mittelalterlich anmutendes Fantasy-Spiel tätig zu werden?
- Ist der Gründer des Teams als (oftmals) automatischer "Anführer"/"Ideengeber" wirklich automatisch die am besten geeignetste Person für diese Aufgabe, um das Team gemeinsam zum auserkorenen Ziel zu bringen?
- Wie passen die Rollen zusammen und wurden sie aus der Sicht der Ressourcen jedes Einzelnen in Form seiner Fähigkeiten am sinnvollsten verteilt?
- Hat vielleicht sogar ein Team-Mitglied eine Aufgabe übertragen bekommen, für welche eigentlich mindestens 2 Personen von Nöten wären und sie deswegen im Laufe der Zeit Gefahr läuft mental allmählich auszubrennen?
Beziehung:
Da nun ein Team gegründet wurde, lernt man sich automatisch im Laufe der Zeit stetig besser kennen. Es entstehen neben der reinen Entwicklung des Projektes vielleicht auch davon losgelöste Aktionen, wie gemeinsame Spieleabende oder Gespräche über das Leben. Es ist immer wieder spannend neue Perspektiven im Leben eröffnet zu bekommen und von anderen dazu lernen zu können. Mit ganz viel Glück haut es einfach von Anfang an richtig gut hin und man kann ohne große Differenzen gemeinsam seine Vision umsetzen.
Folgendes geht mir jedoch durch den Kopf, wenn es sich nicht um den Idealfall handelt:
- Wenn man bedenkt, dass die Entwicklung eines Spiels in den meisten Fällen mit einem sehr hohen Zeitaufwand einher geht, sollte man zwischenmenschlich sehr gut miteinander auskommen können. Was ist jedoch, wenn die Chemie zwischen einzelnen Team-Mitgliedern einfach nicht stimmen mag?
- Ist es wirklich immer eine gute Idee mit tendenziell Fremden direkt eine solche ("Arbeits-)Beziehung einzugehen, wo im Gegensatz zur Berufswelt aufgrund der Anonymität des Internets auch ein gänzlich anderes Empfinden zu Verpflichtungen bestehen kann? Wie wäre es, wenn man zuvor an einer Game-Jam teilnimmt und beispielsweise im Rahmen eines Wochenend-Projektes sieht, wie gut man zusammen passt?
- Läuft man vielleicht Gefahr dass sich der Charakter des Teams aufgrund zu reger Nebenaktivitäten allmählich wandelt und dadurch plötzlich das gemeinsame Spielen mehr im Vordergrund steht, als das eigentliche Projekt welches man gemeinsam entwickeln wollte?
- Hat man nicht vielleicht sogar schon länger einen tollen privaten Austausch mit anderen Community-Mitgliedern und einen ähnlichen Geschmack? Fragen kostet nichts!
- Was ist, wenn sich die Gruppe verzankt und ein ausscheidendes Mitglied nun nicht mehr möchte, dass seine erstellten Grafiken im Projekt verwendet werden? Die Lage des Copyrights ist bei einem informal gegründeten Team wohl doch recht eindeutig zu Gunsten des tatsächlichen Erstellers der jeweiligen Bestandteile des Projektes. Lohnt es sich bereits zu schauen, ob man die Teamgründung auch rechtlich professionalisieren möchte, indem man beispielsweise eine rechtlich gemeinsame Unternehmung daraus macht (jedoch niemals als völliger Einsteiger - Selbstüberschätzung und Fallstricke aus Unwissenheit können zu vielen Frustrationen führen!) und Rechte an den Bestandteilen des Projektes dieser Unternehmung überschrieben werden, dafür jedoch auch Auslösesummen oder ähnliche Kompensionen vereinbart werden, wenn jemand diese Unternehmung verlassen möchte?
Lebensumstände und Zeit:
Da Leben höchst unterschiedlich geführt werden (können), hat auch nicht jeder immer dieselben Zeiträume zur freien Verfügung, um am Team-Projekt zu arbeiten - geschweige denn stets dieselben zeitlichen Überschneidungen mit den anderen. Der eine ist zweifacher Vater kleiner Kinder, der andere ewiger Junggeselle und die nächste Person macht unter Umständen einen Spagat aus Studium und dem Projekt. Mangelnde Kommunikation oder Kompromissbereitschaft kann hier dazu führen, dass unrealistische Erwartungshaltungen entstehen und jemand den Eindruck gewinnt, die anderen würden oder wollten nicht genau so viel Zeit in das Projekt stecken, da sie nicht dieselbe Leidenschaft dafür hegen.
- Sind gesetzte Deadlines (wenn vereinbart) auch realistisch angepeilt oder weiss man (idealerweise) bereits im Vorfeld, dass einzelnen Team-Mitgliedern (turbulente) Auszeiten (anstehender Umzug, notwendige OP, etc) bevorstehen werden?
- Hat man schon einmal darüber gesprochen, wieviel Zeit jedem in der Woche durchschnittlich zur Verfügung steht und kann anstehende Aufgaben eventuell so legen, dass keine vermeidbaren Flaschenhälse bei der Projektentwicklung entstehen?
- Hat wirklich jeder akzeptiert, dass manche Personen stets weniger zum Projekt beitragen können werden als andere? Gibt es im Falle einer Unternehmung eine faire Regelung, welche beispielsweise nach Verkauf des Spiels die Aufteilung der Gewinne regelt (oder wenn man Folge-Projekte plant) die Auszahlung kleiner Gehälter in Relation zur individuellen Arbeitszeit?
Jetzt bin ich aber wirklich mal gespannt, wie ihr die Sachen seht! Betrachtet ihr ein paar meiner Aussagen anders oder würdet sie gerne ergänzen? Habt ihr Gedankengänge, welche noch überhaupt nicht beleuchtet wurden?
Schreibt es in die Kommentare!
(Das sagt wohl jeder 10. YouTuber?)