Interessantes Thema, hier mal meine Wall of Text hierfür.
Am Anfang. Zumindest rein theoretisch. Eigentlich habe ich hierfür einen sehr bestimmten Ablauf, welcher eigentlich bis jetzt in meinen Augen recht gut funktioniert.
- Was ist die gewohnte Welt?
Hier geht es hauptsächlich darum, die Welt zu beschreiben, wie der derzeitige Ist-Zustand der Welt ist. Im Grunde beschreibt man hier einfache Abläufe, wie zum Beispiel eine typische Woche der Figur usw. - Ruf zum Abenteuer
Hier wird überlegt, warum man überhaupt auf ein Abenteuer geht. Ist es weil ein monströser Dämon mit der Zerstörung der Welt droht, oder sonst irgendeine Motivation, warum man die gewohnte Welt verlassen würde. - Verweigerung des Rufs
Ich sehe diesen Schritt eher als Optional an, aber hier sucht man sich einen Grund, warum der Held die gewohnte Welt nicht verlassen will. - Begegnung mit dem Mentor
Der Mentor ist jemand, der in einem Punkt mehr weiß als die Figur. Jemand der einen überzeugen kann, alle Sorgen fallen zu lassen und sich auf seine eigene Fähigkeit zu konzentrieren. - Überschreiten der ersten Schwelle
Hier ist der erste Schritt in Richtung Abenteuer und dem verlassen der gewohnten Welt. Die Figur bricht aus ihrer Routine heraus und wagt sich auf das Abenteuer. - Bewährungsproben, Verbündete und Feinde
Hier trifft die Figur auf die erste Bewährungsprobe, es werden auch Verbündete definiert ebenso wie Feinde. Es ist ein sehr wichtiger Schritt in der Geschichte, die der Figur aber auch aufzeigt, dass er es kann. - Vordringen in die tiefste Höhle
In diesem Punkt wird der Figur klar, dass es hier um alles geht. Die Antagonisten werden einem ganz klar und das große Ganze fällt einem wie Schuppen von den Augen.
Dies ist auch der Punkt kurz vor dem Höhepunkt der Geschichte. Der nächste Schritt ist der Abschlusskampf. - Entscheidungskampf
Hier ist der Punkt erreicht, an dem die Figur etwas ändert, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Es wird danach für die Figur eine neue Weltordnung (übertrieben gesagt) geben. - Belohnung und ergreifen des Schwerts
Die Figur ist hier "gestorben" und wurde neu geboren. Es wird hauptsächlich in diesem Punkt gejubelt und gefeiert, da man die Veränderung geschafft hat. - Der Rückweg
Hier wird die Figur wieder auf Veränderung eingestellt und folgt sozusagen einem letzten Abenteuer. - Erneuerung/Verwandlung
Die Figur stellt sich hier darauf ein, dass eventuell nicht jeder mit der Veränderung zufrieden ist, man aber trotzdem versucht Kompromisse zu finden, dass es Schlussendlich allen "gut" geht. - Die neue gewohnte Welt
Wie sieht die neue Welt für die Figur aus? Was hat sich verändert? Warum hat sich eventuell auch kaum bis gar nichts verändert?
Eventuell kennt der eine oder andere diese 12 Punkte, es ist geläufig unter dem Namen Heldenreise.
Wie weit denkt ihr euch die Welt um das Spiel herum aus?
Die Welt wächst bei mir zeitgleich mit der Story, teilweise sogar mehr als die Story an sich, da es in meinen Augen sehr wichtig ist, dass die Welt in sich schlüssig wirkt. Ich baue meist nicht nur die aktuelle Welt, sondern arbeite auch an der Vergangenheit. Warum existieren gewisse Dörfer/Wege/Höhlen/Gebirgspässe? Warum gibt es Monster in der Welt? Was sind bekannte Legenden? Sind gewisse Legenden wahr, oder basieren teilweise auf echten Ereignissen?
Oft ist dies der Punkt, der mich sehr aufhält in der Entwicklung, weil ich es gern habe, wenn ich für nahezu alles eine Entstehungsgeschichte habe. Wenn ich ein altes Projekt (Schicksal - Weltenspringer) heranziehen würde, dann habe ich allein nur für das erste Dorf, in dem man startet gefühlt 50 Seiten an Geschichten, warum das Dorf existiert, was alles in dem Dorf passiert ist und warum Person A sich gerade in dem Dorf aufhält und nicht zum Beispiel in der Hauptstadt ist. Allgemein ist die Lore bei mir eher ein Selbstläufer, als dass ich da auf Krampf versuche etwas aus dem Ärmel zu schütteln. Es wird aber nur ein Bruchteil davon eingebaut, da es sonst viel zu schnell den Rahmen sprengen würde, da der Spieler dann von jeder Figur die Lebensgeschichte hören würde.
Ein Beispiel hierfür wäre ein Kapitän, der im Startdorf im Pub sitzt, obwohl es im Umkreis vom Dorf keinen See oder eine wirklich erklärbare Anbindung zum Meer existiert. Er befindet sich im Dorf, weil er von einem Schuldeneintreiber gesucht wird und ist aus der Hafenstadt in die Hauptstadt geflohen, welche ihm jedoch nicht genügend Schutz geboten hat, da er von den Schuldeneintreibern gefunden wurde und ihm Schmerzen zugefügt wurden. Er suchte sich einen Ort, zu dem man nicht ganz so Leicht kommt und hat dann das Dorf gefunden. Bezüglich der Schulden: diese wurden mit der Zeit von Ihm aufgebaut, da er recht gerne dem Glücksspiel nachging. An einem Abend wurde ihm sein letztes Geld abgeknöpft und er tauschte das Schiff, welches nicht Ihm gehöre, gegen Geld zu tauschen, welches er Verspielte. Als der Betreiber feststellte, dass er betrogen wurde, beauftragte er seine Schuldeneintreiber das Geld zurück zu holen. Zu beginn konnte er ihnen aus dem Weg gehen, da er sich noch auf dem Meer befand, aber er hat relativ schnell Begriffen, dass er nicht ewig auf dem Meer bleiben kann, weswegen der Plan B her musste.
Wo gibt es Grenzen und was für Erfahrungen habt ihr mit Storytelling gemacht?
Ich finde, es gibt kaum bis keine Grenzen. Es macht überhaupt keinen Sinn, sich einen Plan zurecht zu legen, wann wer im Dorf/in der Stadt aufs Klo geht, aber es ist trotzdem praktisch, wenn man sich überlegt ob die Frau aus dem Haus oben Links ihren Ehemann betrügt, oder ob der Typ aus Haus unten Links das nur behauptet.
Beim Storytelling muss man immer darauf achten, eine gewisse Balance zwischen Monologen, Dialogen usw. zu erhalten. Es macht keinen Sinn, wenn man 30 Minuten da sitzt und sich durch einen Wall of Text lesen muss, oder ob er vielleicht 50 Minuten da sitzt und die Wall of Text visualisiert vor sich hat. Eventuell auch mit einem kleinen Minigame verknüpft.
An welchem Punkt in der Entwicklung fängt die Arbeit damit an?
Direkt von Anfang an. Du kannst nicht mit dem Entwickeln des Projekts beginnen, ohne eine grobe Richtung zu haben. Zumindest ist das meine Meinung, da man, wie ich finde, immer einen Plan haben muss, was gemacht wird, bzw. ein Grundgerüst. Wenn das nicht vorhanden ist, dann wird das nichts. Es wird nur ein extremes Chaos, welches zu nichts führt.
Was war zuerst? Die Story oder der Gameplay Core Loop?
Die Story. Ich baue gern das Gameplay um meine Story herum. Es bringt nichts, wenn man zuerst das Gameplay macht und dann die Story in das Gameplay hämmert, auch wenn das Gameplay überhaupt nicht passt. Es bringt dir halt nichts, ein revolutionäres Kampfsystem zu haben, wenn es in deinem Spiel durch die Story keine Kämpfe gibt, weil du nur ein Spiel machst, in dem man Sachen sucht.
Lasst ihr bewusst wichtige Hinweise und Lore Schnipsel weg, damit die Spieler selber recherchieren?
Ja und Nein.
Bei der Story gebe ich dem Spieler allgemein vieles gern am Silberteller oder deute es etwas Offensichtlicher an.
Bei der Lore wird die Geschichte immer mit allen nötigen Details ausgestattet. Es bringt mir nichts, wenn ich einen ganzen Aufsatz über Person XY schreibe und dann im Spiel sagt die Person lediglich: "Ich esse gerne Kartoffeln und du?" Vor allem, wo soll so etwas noch weiter recherchiert werden?
Was macht für euch eine gute Geschichte aus?
Eine in sich schlüssige Geschichte, die sich nicht alle 10 Minuten verändert und man sich dann denkt, dass es zuvor noch geklappt hat und man 20 Minuten später sich fragt, ob man noch beim selben Spiel gelandet ist.
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So das waren mal meine Gedanken zu dem Thema.
lg Flip