Mir geht es ähnlich wie dir, dass ich das Thema häufig vermisse. Zu einer richtigen Erzählung gehört für mich eine Liebesgeschichte oft einfach dazu, eben weil es ein Thema ist, das Menschen zwangsläufig irgendwann in ihrem Leben beschäftigt und man ja meistens die Geschichte eines (oder auch mehrerer) Charaktere erzählt. Allein schon der Glaubwürdigkeit wegen, sollten die sich an irgendeinem Punkt darüber Gedanken machen. Dabei kann natürlich auch die Abwesenheit einer romantischen Beziehung eine Liebesgeschichte füttern. Aber das Thema an sich, das Bedürfnis oder fehlende Bedürfnis danach ist ja ein zentraler Bestandteil fast jeden Lebens und damit jeder Geschichte.
Etwas anders ist das, wenn es kürzere Geschichten sind, die sich statt auf einen Charakter auf ein einzelnes Ereignis konzentrieren, aber das holt mich meistens eher weniger ab.
Was die Darstellung betrifft finde das etwas schwieriger zu beantworten. Häufig finde ich eine schlechte Liebesgeschichte sehr viel störender als gar keine. In vielen Fällen habe ich das Gefühl, dass so etwas eingebracht wurde "nur damit man es hat". So etwas sollte nicht mit einer Szene abgehandelt werden "und dann waren sie zusammen, damit der Hauptcharakter 'ne Freundin hat".
Mit den Mass Effect Beispielen hast du jetzt meine absolute Lieblingsreihe angesprochen
Teil 1 macht das zum Beispiel meiner Meinung nach ziemlich schwach: Sowohl Liara als auch Ashley/Kaidan kommen irgendwann plötzlich einfach auf den Trichter, dass Shepard ja cool und bosshaft ist und rücken sofort mit der Sprache raus, dass sie jetzt was von ihm wollen. Du sagst ja, bähm erledigt, spielt bis zur Szene vor dem Finale keine Rolle mehr.
Teil 2 finde ich da schon besser: Die Beziehung entwickelt sich über mehrere längere Gespräche hinweg / steht schon länger im Raum, einige Charaktere haben ihre eigenen Probleme damit und müssen erstmal wieder "eingefangen" werden, nachdem sie kalte Füße kriegen (das ist übrigens bei Dragon Age nochmal mehr viel besser umgesetzt). Problem ist bei ME2 nur, dass alle das gleiche Muster haben und du, wenn du eine Romance spielst, genau weißt, wie die anderen auch funktionieren und sich gleich wieder viel mehr nach Spielmechanik anfühlt, als als Geschichte.
Und wieder das größte Problem: Nachdem es geklärt ist, spielt es keine richtige Rolle mehr. Wieder Dragon Age als Gegenbeispiel: Die anderen Gruppenmitglieder sprechen dich auf deine Beziehung an und unterhalten sich auch untereinander, machen sich darüber lustig, sind neidisch, freuen sich für dich usw.
Die Beziehung selber geht (wenn auch nicht so sehr wie ich es mir wünschen würde) auch eine eigene Entwicklung durch. Morrigan wird zum Beispiel alles irgendwann zu viel, als sie merkt, dass es nicht nur eine Liaison ist, sondern sie sich wirklich verliebt und will es an der Stelle beenden.
Das sind meiner Meinung nach so die wichtigsten Punkte: Es muss eine Entwicklung geben bevor die Charaktere sich der Verliebtheit / Liebe bewusst werden (was natürlich wegfällt, wenn sie schon mit einer Beziehung / frühere Beziehung starten), der Punkt zu dem sie sich dessen bewusst werden muss in einer angemessenen Szene dargestellt werden, dann ihr Weg tatsächlich zusammenzukommen und schließlich eine Entwicklung der Beziehung selbst mit Hürden und Erfolgen, eben ganz wie eine Charakterentwicklung auch.
Das Thema Sex würde, wenn man kein pornographisches Spiel macht nur sehr dezent anreißen. Also klar machen was geschehen wird / geschehen ist, aber eben mit geschmackvollem Ausblenden usw. Wobei das an dieser Stelle nur so ist wie ich es machen würde, nicht wie ich glaube, dass es immer und überall zu sein hat. Ich kann tatsächlich auch sehr gut damit Leben, dass das in einer Liebesgeschichte gar nicht erwähnt wird. Klar gehe ich davon aus, dass ein Pärchen in einer Beziehung miteinander schläft, aber ich gehe auch davon aus, dass sie zusammen einkaufen gehen, essen und ihre Wohnung aufräumen, ohne dass ich das explizit gesagt haben muss. Da würde ich sagen: Nur wenn es für die Charakterentwicklung und den Fortgang der Geschichte relevant ist. Wenn zum Beispiel einer der Charaktere Probleme mit seiner Sexualität hat, sodass es tatsächlich interessant für den Konsumenten der Geschichte ist, was das für ihn bedeutet. Wenn dadurch, dass sie miteinander schlafen ein Ereignis ausgelöst wird, es ihnen zum Beispiel verboten ist, oder einen anderen Charakter eifersüchtig macht usw.
Ansonsten wie gesagt: Nur wenn explizit so etwas der Inhalt des Spiels ist.
Es ist nun mal eine häufig von wenig Eleganz geprägte sehr intime Sache, die zwar natürlich ist, aber trotzdem nicht beobachtet werden muss und für mich irgendwie das Bild des Charakters kaputt macht.
Für meinen eigenen Geschmack würde ich jetzt allerdings nicht mit Baxeda mitgehen, was den Punkt angeht, dass man immer eine freie und breite Auswahl haben muss. Es gibt viele Spiele die allgemein nicht entscheidungsbasiert sind und eine lineare Geschichte erzählen - das würde ich zum Beispiel nicht sagen, dass die generell auf eine Liebesgeschichte verzichten müssen. Wenn ich zum Beispiel ein Buch lese, muss ich auch mit der Liebesgeschichte zurechtkommen die geliefert wird. Wenn sie so schlecht ist, dass sie den Rest der Geschichte kaputt macht, dann liegt das eher an Fähigkeiten des Autors oder an meinem persönlichen Geschmack und nicht daran, dass Liebesgeschichten ohne Auswahl eine schlechte Idee sind.